Hellmut Jansen: Die Grundbegriffe des Baltasar Gracian
Diese 400 Seiten umfassende Dissertation, ein Grundlagenwerk für die deutschsprachige Gracianforschung, hat einen berühmten Inspiratoren: den Romanisten Hugo Friedrich. Die Arbeit verdankt sich also gewiss den Anregungen, die dieser Gracian-Kenner (H. Friedrich schrieb u.a. das Nachwort zum ersten Versuch einer Kritikon-Übersetzung durch Hanns Studniczka) im Rahmen eines Seminars gab. Nachweisbar veranstaltete Hugo Friedrich im Sommersemester 1949 in Freiburg ein Oberseminar zu den "Romanischen Moralisten". Dieses Buch ist aus verschiedenen Gründen unbedingt zu empfehlen. 1. Der philologische Ansatz, das Werk Gracians über die Deutung von sog. Grundbegriffe zu verstehen, liegt in der Natur der Sache. Gracian spielt gleichsam mit Begriffen, baut begriffliche Beziehungen auf - das ist ja gerade die Methode des 'concepto'. 2. Hellmut Jansen schafft es mit seiner akribischen Arbeit am Begriff, verborgene gedankliche Strukturen und geistige Spuren transparent zu machen. Die Philologie ist keine Erbsenzählerei, sondern schafft Wissen und bewegt Denken. 4. Die These, daß Gracians Denken und Schreiben in drei geistige Bereiche zu unterteilen sei (normativ, taktisch, kontemplativ), kann Jansen plausibel untermauern. 4. Besonders wertvoll ist der Anhang der Dissertation. Jansen erklärt die verschiedenen Sinnbilder Gracians. Dies ist eine schöne Hilfe für die Lektüre des Kritikon. Im Vorwort schreibt Hellmut Jansen über das Ziel der Arbeit: "Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine deskriptiv-semasiologische Bestandsaufnahme der Grundbegriffe des Baltasar Gracian, verbunden mit dem Wunsch, von hier aus einiges zur Interpretation seines Werkes beizutragen. Die Zahl der behandelten Begriffe machte (von einigen Ausnahmen abgesehen) den Verzicht auf Etymologie und historische Filiation erforderlich. Das gleiche gilt für eine Konfrontierung mit den entsprechenden Begriffen zeitgenössischer und geistesverwandter Autoren; die Arbeit ist also rein monographisch gehalten. Bei der Einteilung der Begriffe wurde, ungeachtet der Verschiedenartigkeit der einzelnen Schriften, das Werk als Einheit zu Grunde gelegt und das Begriffsmaterial in seiner Gesamtheit ideenmäßig gegliedert, wobei von selbst - je nach dem betrachteten Begriff - bald die eine, bald die andere Schrift in den Vordergrund rückt. Es ergaben sich dabei die folgenden drei großen Begriffsbereiche, die im Einklang stehen mit den Grundlineaturen des Gracian'schen Denkens: 1. Normativer Bereich. - Der Mensch als Persönlichkeit, seine Vorbereitung auf die Welt: 'ser persona'. 2. Taktischer Bereich. - Der Mensch in der Welt: Lebensklugheit ('prudencia') und Lebenskampf ('milicia'). 3. Kontemplativer Bereich. - Der Mensch für sich; Nachdenken über die Welt: 'el desengañado'. (...) Zur Methode sei bemerkt, daß jeweils von dem Begriff mit der größten Bedeutungsweite ausgegangen und das Begriffsfeld umrissen wird. Sodann werden die einzelnen bedeutungsverwandten bzw. die das Wesen eines Oberbegriffes näher bestimmenden Begriffe betrachtet, ohne daß aber hierbei starr schematisch vorgegangen wird und ohne im allgemeinen in bedeutungsgleich (synonym) und bedeutungsähnlich (paronym) zu scheiden; denn absolute Synonymität ist überhaupt nicht anzutreffen, es sei dennn in Einzelfällen, die aber stets vom jeweiligen Zusammenhang bestimmt sind." Um das Werk zu studieren, da müssen sie schon eine gute Universitätsbibliothek vor Ort haben; oder Fernleihe in Anspruch nehmen - es lohnt sich! |