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Seinen Geist, mit Hülfe der Natur und Kunst, zu erneuern verstehen.Man sagt, daß von sieben zu sieben Jahren die Gemüthsart sich ändert: nun so sei es ein Verbessern und Veredeln seines Geschmacks. Nach den ersten sieben Jahren tritt die Vernunft ein: so möge nachher mit jedem Stufenjahre eine neue Vollkommenheit hinzukommen. Man beobachte diesen natürlichen Wechsel, um ihm nachzuhelfen, und hoffe auch an Andern eine Verbesserung. Hieraus entspringt es, daß Viele mit dem Stande oder Amt ihr Betragen geändert haben. Bisweilen wird man es nicht eher gewahr, als bis es im höchsten Grade hervortritt. Mit zwanzig Jahren ist der Mensch ein Pfau; mit dreißig, ein Löwe; mit vierzig, ein Kameel; mit funfzig, eine Schlange; mit sechszig, ein Hund; mit siebenzig, ein Affe; mit achtzig, - nichts.

"Hand-Orakel No. 276"



Zu prunken verstehen. Es ist die Glanzbeleuchtung der Talente: für jedes derselben kommt eine günstige Zeit: die benutze man, denn nicht jeder Tag wird der des Triumphs seyn. Es giebt Prachtmenschen, in welchen schon das Geringe sehr, das Bedeutende zum Erstaunen glänzt. Gesellt sich zu ausgezeichneten Gaben die Fähigkeit damit zu prunken; so erlangen sie den Ruf eines Wunders. Es giebt prunkende Nationen, und die Spanische ist es im höchsten Grad. Erst das Licht ließ die Pracht der Schöpfung hervortreten. Das Prunken füllt Vieles aus, ersetzt Vieles und giebt Allem ein zweites Daseyn, zumal wenn es sich auf wirklichen Gehalt stützt. Der Himmel, welcher die Vollkommenheiten verleiht, versieht sie auch mit dem Hange zu prunken: denn jedes von beiden allein würde unpassend seyn. Es gehört Kunst zum Prunken. Sogar das Vortrefflichste hängt von Umständen ab und hat nicht immer seinen Tag. Das Prunken geräth schlecht, wenn es zur Unzeit kommt: mehr als jeder andere Vorzug muß es frei von Affektation seyn, an welchem Uebelstande es allemal scheitert, weil es nahe an die Eitelkeit gränzt und diese an das Verächtliche: es muß sehr gemäßigt seyn, damit es nicht gemein werde, und sein Uebermaaß steht bei den Klugen schlecht angeschrieben. Bisweilen besteht es mehr in einer stummen Beredsamkeit, indem man gleichsam nur aus Nachlässigkeit seine Vollkommenheiten zum Vorschein kommen läßt: denn das kluge Verhehlen derselben ist das wirksamste Paradiren damit, da man eben durch solches Entziehen die Neugier am lebhaftesten anreizt. Sehr geschickt auch ist es, nicht die ganze Vollkommenheit mit einem Male aufzudecken, sondern nur einzelne Proben davon verstohlnen Blicken preiszugeben und dann immer mehr. Jede glänzende Leistung muß das Unterpfand einer größern seyn und im Beifall der ersten schon die Erwartung der folgenden liegen.


"Hand-Orakel No. 277"



Abzeichen jeder Art vermeiden: denn die Vorzüge selbst werden zu Fehlern, sobald sie zur Bezeichnung dienen. Die Abzeichen entstehen aus Sonderbarkeit, welche stets getadelt wird: man läßt den Sonderling allein. Sogar die Schönheit, wenn sie überschwänglich wird, schadet unserm Ansehen; denn indem sie die Augen auf sich zieht, beleidigt sie: wie viel mehr werden Sonderbarkeiten, die schon an sich in schlechtem Ruf stehen, nachtheilig wirken. Dennoch wollen Einige sogar durch Laster allgemein bekannt seyn und suchen in der Verworfenheit die Auszeichnung, um einer so ehrlosen Ehre theilhaft zu werden. Selbst in der Einsicht kann das Uebermaaß in Geschwätz ausarten.

"Hand-Orakel No. 278"




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